Anonymus fragte am 11.12.2009:
Mein Problem: Ich bin Rechtshänder, spüre aber aufgrund einer Verletzung am rechten Zeigefinger diesen kaum, spiele daher seit einem Jahr mit Unterricht linkshändig eine Lefty-E-Gitarre. Mich ärgert das winzige Angebot an Leftys beim Händler und die fehlende Möglichkeit andere Gitarren auszuprobieren. Ich habe neulich Otis Rush auf Video gesehen und frage mich seither: Ist es nicht auch möglich, eine normale, unumgespannte Rechtshändergitarre linksrum zu lernen?
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Als erstes wäre noch mal zu prüfen, welche Haltung bei normaler Saitenreihenfolge für Dich vorteilhaft ist. Eine starke sensorische Schwäche eines Fingers schränkt abhängig von Art der Tätigkeiten z.B. im Alltagsgebrauch auch dessen Motorik ein. Bei trainierten Handlungen wie beim Spielen eines Instruments sieht das anders aus. Allenfalls beim Einstudieren bestimmter Bewegungen hat dieser Finger wahrscheinlich größere Probleme. Nun weiß ich aber nicht, warum diese eingeschränkte Funktion zum Umkehren der eigentlichen Händigkeit Anlass gibt. Gerade beim Gitarre spielen werden an die Griffhand zwar komplett andere, aber deswegen nicht geringere Anfordungen als an die Anschlaghand gestellt. Was spricht also gegen die normale Rechtshänderhaltung? Wenn Du sogar mit Plektrum spielst, das zwischen Daumen und Zeigefinger gehalten wird, hast Du immer noch den Daumen als Sensor, also ein Gefühl dafür, wie fest du das Plektrum hälst, wie stark Du anschlägst, in welcher Richtung Du auf die Saiten triffst etc. Auch beim Zupfen meine ich, dass eine starke sensorische Schwäche durch Training und spezielle Techniken wie überwiegend angelegtes Spiel kompensiert werden könnte.
Das einfache Umdrehen einer Rechtshändergitarre ohne Umkehren der Besaitung ist die am wenigsten zu empfehlende Variante. Auch wenn hier erstaunliche Arrangements möglich sind, wie das Beispiel Otis Rush zeigt, stellt das z.T. völlig andere Voraussetzungen an das Spiel als bei normaler Besaitung. Das Ergebnis wäre ein sehr individueller Stil, bei dem die Griffbilder nicht einfach nur umgedacht werden können, sondern bestimmte Abfolgen, die bei normaler Besaitung geringe Anforderungen stellen, schlicht unspielbar werden. Es ist ja zu bedenken, dass die Reihenfolge der Finger an der Hand unveränderlich ist. Das bedeutet, dass das Greifen bestimmter Akkorde unmöglich wird. Umgekehrt ergeben sich auch Griffmöglichkeiten, die bei normaler Saitenreihenfolge abwegig sind. Da die umgekehrte Reihenfolge aber absoluter Ausnahmefall ist, wird man mit ihr von wenigen Einflüssen abgesehen den autodidaktischen Weg gehen müssen. Ich kenne jedenfalls kein Lehrmaterial dazu. Für das Zupfen bzw. Picking bietet die verdrehte Besaitung übrigens ganz schlechte Bedingungen. Schon einfachstes Wechselbassspiel - normalerweise mit Daumen über dem Bass - scheint mir hier unmöglich zu sein. Bei reinem Plektrumspiel hingegen mag die verdrehte Haltung wenig Bedeutung für die Anschlaghand haben.
Das Angebot an Linkshändergitarren ist natürlich kleiner als bei Rechts-Modellen. Hat man aber genauere Vortellungen von seiner Gitarre, besteht immer noch die Chance gezielter Bestellungen ohne Kaufzwang. Evtl. lässt sich auch ein erster Eindruck durch Begutachten eines seriengleichen Rechtshändermodells gewinnen. Jedenfalls sollte man die grundlegende Haltung - also links- oder rechtshändig - nicht von der Angebotsvielfalt abhängig machen. Falls es meinen Überlegungen entgegen also dennoch gute Gründe für das Beibehalten der Linkshaltung gibt, ist ein längerer Auswahlprozess einer Linkshändergitarre letztlich eine bessere Lösung, als die sehr ungewöhnliche Haltung mit verdrehter Besaitung anzunehmen. es antwortete:
Lorenz Felgentreff Gitarrist und Musikwissenschaftler Berlin Website: Gitarrenunterricht in Berlin
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