Harald fragte am 4.5.2009:
Ich spiele mit der richtigen Pentatonik/Bluestonleiter die Ihr auch in den Solos nutzt und meine Gitarre ist auch richtig gestimmt. Jedoch hören sich bei mir immer ein paar Töne schräg an. Ganz besonders dann, wenn ich mich auf einem Ton 'ausruhen' möchte, wenn mir kein Lick einfällt etc. Ich habe dann mal versucht wirklich nur die Töne der entsprechenden Pentatonik/Bluestonleiter zu spielen ohne Bendings/Slides und auch da kommen mir einige Töne einfach falsch vor. Ich bin echt am verzweifeln und zweifle an meinem Talent, da es mir auch noch ziemlich schwerfällt ein zusammenhängendes Solo zu kreieren. Mal gelingt es besser, mal überhaupt nicht. Aber das Hauptproblem jetzt sind wirklich die 'schrägen' Töne. Vielleicht gibt es ja bei den Pentatoniken/Bluesleitern dazugehörige Töne die nicht so harmonisch klingen und man muß lernen diese ins Spiel mit einzubauen?
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Manche Leute sagen, dass es keine 'falschen' Töne gibt. Ich sage, dass es keine falschen Töne gibt, wenn sie nicht zu lang sind. Um das zu verstehen, muss ich theoretisch werden. Nehmen wir an, dass der Keyboarder der Band einen C-Dur-Akkord mit einem Streichersound spielt. Er drückt die Töne c, e und g. Der Gitarrist soll nun improvisieren. Spielt er nur die Töne c, e und g, ändert sich an der im Proberaum erklingenden Harmonie theoretisch nichts. Wir hören einen C-Dur-Akkord. Um meldoische Linien zu formen, reichen aber die 3 Töne des Akkords nicht aus. Der Gitarrist nutzt nun vielleicht die C-Dur-Tonleiter und spielt langsam und gleich lang c, d, e, f und g nacheinander. Nun kann man analysieren, welche Klänge bei jedem gespielten Ton in Bezug auf den 'Streicherteppich' entstehen. Bei c bleibt's C-Dur, doch schon bei d würde die Harmonie C add9 entstehen. Bei e und dann auch bei g bleibt's C-Dur, doch bei f würde C add11 entstehen. Während C add9 noch ein recht wohlklingender Akkord ist, wird es bei C add 11 schon dissonanter. Würde der Gitarrist in gleicher Weise eine chromatische Tonleiter von c bis g spielen, würden eine Reihe weiterer dissonanter Klänge entstehen. Dissonanzen sind wie das Salz in der Suppe, notwendig aber wohl dosiert. 'Falsche' Töne im Solo sind Töne, die zum Grundklang eine Dissonanz ergeben, jedoch für eine Dissonanz zu lang klingen. Die Suppe ist zu salzig geworden. Ein Komponist hat unendlcih viel Zeit, die Dosis Salz zu bestimmen. Der Improvisator muss es in 'Realtime' erledigen. Dafür hält er sich meist an Skalen, Muster und Licks. Doch das allein reicht noch nicht. Wie oben gesehen, halten auch ganz reguläre udn passende Tonleitern Dissonanzen bezogen auf den Grundklang bereit. Es gibt 2 Möglichkeiten, das Problem beim Improvisieren in den Griff zu bekommen. Entweder man denkt die ganze Zeit an die zugrundeliegenden Harmonien, hat vielleicht die Akkordpunkte der Harmonie auf dem Griffbrett im Auge und weiß daher, auf welchen Tönen ein 'Ausruhen' möglich ist. Oder man entwickelt das Bauchgefühl, wohin eine Phrase zielen kann. Variante 2 ist leichter gesagt als getan. Je nach Spielertyp kann das Jahre dauern. Deswegen rate ich denjenigen, die das Gefühl haben, dass ihnen momentan das Bauchgefühl noch nicht weiterhilft, die Variante 1. Man fängt vielleicht ganz einfach mit der Pentatonik an, indem man für jeden Akkord des Solos die Ruhepunkte in der Pentatonik sucht und vielleicht auch notiert. Dann probiert man vielleicht, in einem Solodurchgang nur die Ruhepunkte zu erwischen. Man wird vielleicht bald merken, dass das Wissen irgendwann auch wieder zum Gefühl werden kann. Je öfter man strategisch vorgeht, desto mehr werden die eigenen Linien ausgewogen und klingen gefühlvoll. Je öfter man falsch aus dem Bauch spielt, desto mehr Frust kommt auf. es antwortete:
Jan Wetzel Gitarrist, Dipl. Musiker und Musikpädagoge Dresden |