Anonymus fragte am 3.11.2008:
Warum sind die Saiten gerade in den Tönen e, a, d, g, h, e gewählt worden?
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Die Standardstimmung steht mit sehr alten, nicht weiter hinterfragbaren Traditionen in Verbindung, hat im Vergelich zu stark abweichenden Alternativen aber auch rein spieltechnische Ursachen. Nachbarsaiten sind ja - mit einer Ausnahme - in Quarten gestimmt. Man spricht auch von der Quartstimmung. Das nächst größere Intervall – der Tritonus – scheidet wegen des inharmonischen Charakters aus. Bei einer Quintstimmung würden einfache Tonleitern ständige Lagenwechsel verlangen. Sie erschwert - wenn man die Größenrelationen zwischen Hand und Saitenlänge bedenkt - also das Spielen einfacher diatonischer Melodien. Geigen werden z.B. in Quinten gestimmt. Hier muss die Greifhand aber auch vergleichbar kürzere Wege zurücklegen. Eine aus aufeinander folgenden kleinen und großen Terzen zusammengesetzte Stimmung wiederum würde auf der Gitarrre zwar das Problem der Lagenwechsel nicht haben, aber den Tonumfang verkleinern. Harmonische Terzstimmungen spielen z.B. bei Lauten eine Rolle, deren Tonumfang in Richtung Bass durch viele zusätzliche Saiten erweitert ist. Die genannten Alternativen haben also durchaus Nachteile bei der Gitarre. Dennoch werden solche oder jedenfalls vom Standard abweichende Stimmungen auch genutzt. Relativ gebräuchlich sind z.B. das sog. Drop D Tuning - das Herabstimmen der tiefen E-Saite auf D - oder sog. offene Stimmungen, bei denen die Leersaiten auf einen Akkord gestimmt werden. Hier sind der Phantasie dann kaum Grenzen gesetzt. Häufig wird aber z.B. das Open D Tuning verwendet - also das Stimmen auf einen D-Dur-Akkord. Das Verwenden von Alternativstimmungen verlangt dann eine Neuorientierung auf dem Griffbrett, weil ja die tonalen Beziehungen der Saiten und dadurch auch Griffbilder verändert werden.
Die Terz zwischen G- und H-Saite lässt sich nicht logisch begründen. Sie hat sich irgendwann einfach durchgesetzt. Bei historischen Vorläufern der Gitarre - den Renaissancelauten - findet man die Terz jedenfalls zwischen 3. und 4. Saite. Das wäre mit einer Gitarrenstimmung in E-A-d-fis-h-e vergleichbar. Egal, zwischen welchen Saiten die Terz steht, sie bewirkt, dass Höchste und Tiefste der 6 Saiten eine Doppeloktave bilden. Sie haben also den gleichen Tonbuchstaben. Das mag klangliche und grifftechnische Vorteile haben, rechtfertigt aber nicht allein, dass sich diese Stimmung historisch durchgesetzt hat.
Der gleiche Tonbuchstabe der 1. und 6. Saite bezeichnet die absolute Tonhöhe der Stimmung. Bei der Standardstimmung spricht man dann auch von der E-Stimmung. Der Kammerton - das eingestrichene a - hat eine physikalische Grundfrequenz von 440Hz. Seit man sich international auf ihn geeinigt hat, wird die hohe E-Saite also auf etwa 330Hz gestimmt. Saitenhersteller orientieren sich an solchen Maßgaben. Bei einer Mensur, also Länge der leeren Saiten von 65cm - ebenso seit langem Standard - sollten Gitarrensaiten in normaler Stimmung ideal schwingen, also weder reißen können noch zu spannungslos klingen. Theoretisch - physikalisch und klanglich - unproblematisch wären ebenso eine F- oder Es-Stimmung; also einen Halbton nach Oben oder Unten Stimmen. Das Spiel in einfachen Tonarten - in G-, C-, D-Dur z.B. - würde sich hier aber grifftechnisch erschweren. Es ergäbe die Leersaitenklänge Es, As bzw. noch Des und Ges. Im Zusammenspiel mit anderen Instrumenten würden sich also Schwierigkeiten ergeben, weil das Spiel in offener Lage insgesamt mit wenig gebräuchlichen Tonarten zusammenhinge. Die absolute Stimmung in E hat also praktische Bedeutung. es antwortete:
Lorenz Felgentreff Gitarrist und Musikwissenschaftler Berlin Website: Gitarrenunterricht in Berlin
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