Anonymus fragte am 20.1.2010:
Ich spiele schon seit über 10 Jahren Gitarre und habe mir das Einknicken des Zeigefingers beim Greifen von Barréakkorden angewöhnt. Somit greife ich die Akkorde immer unsauber. Ich habe auch schon ohne Erfolg probiert, mir Pflaster um das obere Gelenk zu kleben. Wie lerne ich es den Finger steif aufzusetzen?
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Zunächst solltest Du auf das Spielen von Übungen bzw. Songs mit Barréakkorden verzichten, die Deinen Zeigefinger in die unkerrekte Haltung zwingen. Sich echte Haltungsfehler abzutrainieren heißt im Prinzip noch mal von vorn anzufangen. Diese Einsicht sollte Dich nicht entmutigen, sondern eine klare Perspektive schaffen. Du kannst es also lernen, wenn Du zunächst die alten Bewegungsmuster meidest. Das bedeutet in erster Linie, dass Du einfache Barréakkorde im Einzelnen üben bzw. sogar erstmal deren Haltung studieren musst.
Auch wenn Dir der eingeknickte Finger hier als augenscheinliche Ursache der Fehlhaltung erscheint, ist das Knicken wahrscheinlich nur Folge eines zu wenig eingeknickten Handgelenks und falscher Positionierung des Daumens. Auch die Armhaltung und natürlich die Haltung der Gitarre haben Einfluss; kurzum: Alle Komponenten wirken zusammen und der Finger ist nicht allein Schuld. Insofern konnte das Pflaster zum Versteifen des Gelenks auch keine Lösung sein. Überhaupt scheint mir eine steife Haltung nicht die richtige Beschreibung zu sein. Der Finger muss zwar gerade sein, weil er parallel zum Bund liegen soll, aber dabei immer noch ein Gefühl für die entgegen wirkende Kraft haben, die beim Niederdrücken der Saiten entsteht. Ein weiterer Aspekt ist der richtige Ort beim Niederdrücken: knapp hinter dem Bund.
An die optimale Haltung musst Du Dich dann gefühlsmäßig, auch durch Experimentieren mit ungewohnten Stellungen von Handgelenk, Arm und Daumen heran arbeiten, evtl. auch mit Hilfe von lehrmäßigen Abbildungen aus Gitarrenbüchern. Das Ziel ist die Effektivierung der Kraftwirkung beim gleichmäßigen Niederdrücken aller Saiten. Darüber hinaus erfordert ein sauberer Quergriff aber auch Krafttraining. Erst wenn beides zusammen – das Geschick und die nötige Kraft – für einen einzelnen Barrégriff erarbeitet ist, sollte man sich an den zweiten Schritt heranwagen. Das ist die Bewegung von offener Lage in diesen Akkord und wieder zurück. Das Übungsziel ist dann hier, die Bewegung so zu gestalten, dass man tatsächlich die neu erarbeitete Haltung des Barrés anwendet. Für dich bedeutet das, dass Du diese Bewegung durch zunächst extrem langsames Tempo kontrollieren musst, damit Du nicht in die nunmal falsch angewöhnte Haltung verfällst.
Du kannst der Bewegung durch ganz bewusst gestaltete Pausen Zeit geben. Nehmen wir z.B. den Wechsel eines C-Dur-Akkords in offener Lage zu einem G7 als Barrégriff in 3.Lage und wieder zurück, alles im langsamen 4/4-Takt. Jeder Akkord soll genau einen halben Takt klingen, und es folgt jeweils eine halbe Pause, in der der Wechsel stattfindet. Wenn das ganz langsam, aber mit rhythmisch genauen Pausen und Klängen klappt, kann das Tempo leicht gesteigert werden. Daran anschließend kann man die Pausen in wieder gedrosseltem Tempo verkürzen: nur noch eine Viertelpause zwischen den nun 3 Viertel lang klingenden Akkorden. Das lässt sich dann über Achtel- bis hin zu Sechszehntelpausen, welche die Akkordklänge im 4/4-Schema voneinander trennen, gesteigert werden. Sinn dieser Übung ist es, Griffwechsel rhythmisch zu kontrollieren.
Weitere Anhaltspunkte zur Haltung beim Barré findest Du hier: Ich habe Schmerzen bei Barré-Akkorden! Und hier: Schmerzen beim Barré im Handgelenk: Warum?
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Lorenz Felgentreff Gitarrist und Musikwissenschaftler Berlin Website: Gitarrenunterricht in Berlin
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