Anonymus fragte am 5.6.2009:
Ich spiele seit 3 Jahren E-Gitarre und habe mir jetzt eine Akustikgitarre zugelegt. Wenn ich auf der A-Gitarre spiele, klingt das teilweise noch sehr unsauber. Ich habe das Gefühl, meine Handhaltung ist verkehrt. Für die E-Gitarre passt meine im Selbststudium angeeignete Handhaltung. Auf der A-Gitarre bin ich beim Umgreifen zu langsam und auf der E-Gitarre liegt mir die klassische Handhaltung überhaupt nicht.
Muss ich das nun durch Lernen der klassischen Handhaltung kompensieren, bis diese auch auf der E-Gitarre klappt?
Und wie verbinde ich Solospiel mit der klassischen Handhaltung?
Wenn ich z.b. beim Akkordespielen ins Solospielen übergehe, fallen mir die Bendings mit der klassischen Handhaltung sehr schwer.
Wenn ich mit 'meiner' normalen Handhaltung ein Solo spiele und dann zum Akkordspiel übergehen will, ist das auch ziemlich schwer. Was soll ich tun?
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Das ist ein grundsätzliches Problem. Eigentlich gibt es keine 'E-Gitarren-Haltung' für sich genommen. Das Griffbrett bei beiden Instrumenten (E-Gitarre und Konzertgitarre) ist gleich, wenn auch die Nylonsaitengitarre einen breiteren Hals mit dickeren Saiten aufweist. Sobald die spielerischen Anforderungen steigen bzw. den Anforderungen der klassichen mehrstimmigen Gitarrenspielweise nahekommen (z.B. bei schnellen Wechseln von einstimmigen zu mehrstimmigen Passagen) ist eine optimale Haltung der linken Hand gefragt. Die klassische Handhaltung links, so wie sie fast überall gelehrt wird, hat sich nicht umsonst im Laufe von Jahrhunderten als optimale Lösung für die spielerischen Probleme im mehrstimmigen Bereich herauskristallisiert. Die E-Gitarre ist ein vergleichsweise junges Instrument und wird ganz anders eingesetzt. Die Entwicklung der Spielweise wurde vor allem in Rock, Blues, Jazz und Pop vorangetrieben. Melodiespiel und Rhythmusspiel werden oft getrennt betrachtet, weil die E-Gitarre in der Regel innerhalb einer Band gespielt wird und eher selten komplexe musikalische Aufgaben zu bewältigen hat. Für das Melodiespiel, gerade auf den hohen Saiten, ist das Schrägstellen der Finger (wie z.B. bei der Violine) sogar von Vorteil, weil insgesamt entspannter. Bendings gehen leichter, auch mit schönem Vibrato. Doch einen Barreakkord hingegen kann man nur mit der sogenannten saitenwärtigen Fingerhaltung spielen. Schnelle Wechsel der verschiedenen Haltungen - auch als Arm-Hand-Finger-Stellungen zu bezeichnen - müssen geübt werden, damit sie flüssig ablaufen. Je umständlicher diese Bewegungen sind, desto schwieriger wird es. Manche Spieler schaffen auch umständliche, teils atemberaubende Bewegungen zu zaubern. Doch ich würde niemandem zuerst den schwierigeren und umständlicheren Weg empfehlen, denn es besteht das größere Risiko zu scheitern.
Werden wir konkret: Mir scheint, dass Du an einem Punkt angekommen bist, an dem Du mit der bisherigen Spielweise nicht mehr weiterkommst. Gleichzeitig scheint mir, dass Du aber unbedingt weiterkommen willst. Und es scheint mir, dass Du befürchtest, die letzten 3 Jahre umsonst geübt zu haben und nun schlimmstenfalls nochmal 3 Jahre mit einer anderen Technik lernen musst. Ich würde Dir folgendes vorschlagen:
Fahre ab jetzt zweigleisig. Nimm Dir Übungen hinzu, die ganz konkret die sogenannte klassische - oder nennen wir sie ab jetzt lieber die optimale - Spielweise schulen. Du kannst Dir beispielsweise das Demo von Gitarrero LeadStar runterladen, dort ist ein erster wesentlicher Ansatz für diese Haltung enthalten. Ansonsten lässt Du Dir die musikalische Laune nicht von der Lehrmeinung verderben und spielst alles, was Du kannst nach Belieben, wie Dir die Finger gewachsen sind. Du darfst nur nicht vergessen, möglichst jeden Tag mindestens ein mal die optimale Haltung zu trainieren. Ich hoffe, dass sich die beiden Gleise bald aufeinander zu bewegen werden und die neue Handhaltung auf die alte abfärbt. Das kann Wochen oder Monate dauern, aber wenn es klappt, wird es für Deine Entwicklung ein Quantensprung sein. es antwortete:
Jan Wetzel Gitarrist, Dipl. Musiker und Musikpädagoge Dresden |